Alles Roger!

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01.04.2013
„Er kann viel besser verlieren als gewinnen“, sagt sein Manager Tony Godsick über seinen Arbeitgeber, einen über jeden Zweifel erhabenen Weltklassetyp. Wie darf man das nun verstehen? Ist der Angestellte irre geworden, so über seinen Chef zu sprechen? Nein, das Kompliment ist das härteste und beste. Roger Federer, der Chef, elegantester, erfolgreichster und einnehmendster Tennis-Star des Universums - der beste Spieler aller Zeiten, wie man ihn nennt - verfügt über eine unvergleichliche Charakterstärke, die loser von echten Siegern unterscheidet – im business, im Leben wie im Leistungssport: Er lässt sich von eigenen Niederlagen nicht beeindrucken. Niemals. Sie hindern ihn nicht daran, weiterhin an Exzellenz zu arbeiten. Und an die eigene zu glauben. Sie hemmen ihn keineswegs, weiterhin der beste Tennisspieler der Welt zu sein (auch wenn er zeitweise den Weltranglisten ersten Platz verliert) und: sie stören ihn einen Dreck unterm Nagel in seinem Lebensglück. Mit anderen Worten: Erfolg haben ist leicht. Das kann jeder Depp. Krisen zu bewältigen hingegen, nicht daran zu scheitern, sondern sie als einen Stein auf dem Weg zum Ziel zu sehen, beim Stolpern noch eine Pirouette zu drehen, das bedarf wahrer Meisterschaft. So etwas muss man erst mal hinbekommen.   Wir treffen den 31jährigen Schweizer (und Halb-Südafrikaner, die Mutter Lynette stammt von dort) in Dubai, seinem Zweitwohnsitz. Dort trainiert er u.a. für die Australian Open. Sehr heiß dort auf dem Center Court. In Dubai auch. Er hat sich am Persischen Golf einen Trainingsplatz nachbauen lassen, der genau den Bedingungen (Belag, Temperatur, Intimität) derer von Melbourne entspricht. Ein Profi. Der Serientäter in Sachen Rekorde (u.a.17 Grand Slam Titel, 302 Wochen Weltranglisten Erster in Folge; zwei Olympia-Medaillen)) hat Glam, Glam Slam, den der unaufdringlich- magnetischen Sorte. Er empfängt in einer diskreten Suite des One & Only Ressorts. Die PR-Berater wuseln um Federer herum, versuchen, rund ein Dutzend Journalisten im Zaum zu halten, die aus elf Ländern von Singapore bis Brasilien exklusiv eingeladen wurden, ihn zu sprechen. Der Anlass: Roger Federer ist seit jüngstem Markenbotschafter der prestigeträchtigen Champagner-Marke „Moët & Chandon“, einer Marke mit 270jähriger Historie, einem Symbol der feiernden Gewinner; seinem zehnten Sponsor (neben u.a. Rolex, Nike, Mercedes-Benz). Grand Glam. Federer ist lässig. Wie er in seinem auf Maß gezirkelten Dior-Anzug (schwarz, fester Stretch, coole Schulter, weißes Hemd) in sich ruht, ein Zen-Meister eigener Klasse: Der Gentleman-Spieler. 1,86 Meter groß, schmal, im wirklichen Leben wirkt er nicht so bullig wie bei den Fernsehübertragungen, sehr feine, schmeichelnde Bewegungen, er parliert charmant, ohne Misstrauen und PR-geschultem Kalkül wie es viele Stars mittlerweile tun, er wirkt weich und warm, neigt sich dem Frager zu. Sehr souverän. Keine Frage, Federer ist zu gut um wahr zu sein. Blöd für Journalisten. Sie lieben eigentlich, wie Schauspieler, die Bösen (im Film) viel lieber, die bad guys; die John McEnroes dieser Welt - wegen ihrer aggressiven Wutausbrüche gefürchtet wie bewundert. Um sie gibt es mehr Geheimnis, mehr zu sagen, mehr zu debattieren. Federer ist kein Tarantino- Charakter, kein Brüchiger in seiner Biographie, kein Gebrochener, kein Testosteron-Aggro. Insofern: Interessant. Ein Phänomen. Gibt es heutzutage so jemanden noch? Einen ohne Zynismus? Federer ist verdächtigungslos ein Gutmensch, ein George Clooney des Sports - er betreibt eine eigene Stiftung (Roger Feder Foundation) für Bildung und Förderung von Kindern in Afrika („Das habe ich von meiner Mutter, wir waren nicht reich, aber kann ich etwas von meinem Glück zurück geben“), nobel im Gestus, liebenswert wie ein großer Bruder, der schützend den Arm um einen schlingt, hingebungsvoll als Ehemann (verheiratet mit Mirka Federer-Vavrinec, sie lernten sich bei den Olympischen Spielen 200 in Sydney kennen, Zwillingstöchter Charlene Riva und Myla Rose, dreieinhalb Jahre alt). Wenn bei jemandem wie Roger Federer alles im Leben so glatt und supererfolgreich läuft, macht er sich schnell der Langeweile verdächtig. Gerade das macht ihn zur Ausnahme-Erscheinung. Das hatte wohl Anna Wintour, Chefredakteurin der amerikanischen „Vogue“ und großer Tennisfan, geahnt, als sie Federer 2004 unter ihre Fittiche nahm und ihn Sachen Stil und Mode beriet. Voilà, Federer gilt heute als der stylischste Sportler. Erinnern Sie sich an Ihr erstes Glas Champagner? Oh, nicht wirklich. Also nicht daran, wie es geschmeckt hat. Nur an die Zeremonie: Ich lernte nach meinen ersten Siegen, so vor zwölf Jahren oder war es Junior Wimbledon?- dass Gewinner mit Champagner feiern. Ich stand ein bisschen albern und verlegen herum nach dem Motto:“ Schau mal, ich mit Champagner!“ So eine Art Erwachsenen-Taufe? Die Sache ist die: Ähnlich wie beim Wein wächst die Kennerschaft mit den Jahren. Je älter man wird, desto mehr kann man genießen. Mein Leben hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Und wenn ich's mir recht überlege neige ich heute mehr dazu, Champagner zu trinken, als andere alkoholische Getränke. Interessant, wie sich Geschmack so entwickeln kann... Sie scheinen aber nicht unbedingt ein Party-animal zu sein, oder? Nein, ich hab's gern ruhiger, privater, eher „lounge-ig“. Ich bin eher der Genießertyp, der mit Freunden auf's Neue Jahr anstößt, oder auf glückliche Momente oder eine hoffentlich  schöne Zukunft. Als ich jünger war, war das eher ein Thema, auf Tour unterwegs sein und ein bisschen zu Spaß habe, auszugehen und zu tanzen. Aber ehrlich gesagt, auch da war ich eher der schüchterne Typ. Ich tanze heute noch gerne, aber wenn man prominent ist und jeder Dich auf der Tanzfläche erkennt – da lässt man es lieber und verbringt seine Abende privat mit Freunden. Als Vater ändert man sicher auch seine Prioritäten, oder? Zweifelsohne! Ich verbringe jede Menge Zeit mit meinen Kids, das geht sogar so weit, dass ich immer versuche, ein Zuhause in den Hotels zu schaffen, wenn wir auf Reisen sind. Manche Hotels haben sich schon darauf eingestellt, auf unser Riesengepäck und unser Bedürfnis nach Gemütlichkeit. Da entsteht dann schnell ein „home away from home“ mit der gewohnten Spielecke für die Kinder, den private Fotos, eigener Deko. Komisch, wie man sich so zum Gewohnheitstier entwickelt, je älter man wird. Wenn Sie bei Ihren Siegen die Champagnerkorken knallen ließen haben Sie auch oft das ein oder andere Tränchen verdrückt... Ja. Habe ich. Tun wir das nicht alle? So sind wir geschaffen. Dass Sie Ihre Emotionen so offen und öffentlich zeigen ist Ihrem Image als Ausnahme-Athlet eher zuträglich? Ich war als Kind schon der emotionale Typ. Wenn ich gegen meinen Vater beim Schach verlor, weinte ich bittere Wuttränen. Wenn er mir Hausarrest gab, heulte ich los. Ich weine bei Hochzeiten, bei der Geburt meiner Kinder. Ich kontrolliere das Bedürfnis nicht. Naja, manchmal erscheint es ein wenig peinlich, so in aller Öffentlichkeit. Aber: Ich lasse da total los, Freudentränen bei den French Open und in Wimbledon, Erschöpfungstränen nach einem Sieg, wenn dann die mentale Anspannung nachläßt. Für mich hat das den Effekt, dass ich mich an all die Momente lebhafter erinnere, im Nachhinein gesehen. Meine Kinder kennen auch meine Trauer-Tränen schon, wenn ich mal verliere. Bei meinen Töchtern wird das unter „happy sad cries“ verbucht, glücklich-traurige Tränen. Leistungssportler zu sein und zugleich Botschafter für Champagner, wie geht das für Sie zusammen? Sie meinen, weil ich damit Werbung für Alkohol mache? Ja, die Amerikaner zum Beispiel verstehen ja da keinen Spaß... Berechtigte Frage. Und ich habe mich auch gefragt, ob ich das mit meinen Werten vereinbaren kann. Nun, ich denke, wir sprechen hier über gemeinsame Grundwerte, die die Marke und ich vertreten. Es geht um Eleganz, das Bemühen um Perfektion. Wenn man sich in Epernay die Herstellung des Kulturguts Champagner anschaut empfindet man Ehrfurcht; mit welcher Hingabe, exakten Planung und Liebe zum Detail man sich dem Produkt widmet, da ist eine Kühnheit im Spiel, Großzügigkeit. Das sind exakte Überschneidungen zu dem, was ich tue und wofür ich stehe. Die Art und Weise, wie mich Patrick Demarchelier für die Imagekampagne fotografiert hat, signalisiert: Es geht um eine Haltung der Eleganz, nicht um Alkohol. Champagner ist nun mal der Klassiker, mit dem man Siege feiert, ein Symbol. Es geht für mich in der Markenpartnerschaft um eine Historie, um einen Glamour, hinter dem Geschichte steht, edler Luxus und natürliche Eleganz. Ich bin nun schon - wie lange?- über 18 Jahre im Geschäft; als Markenbotschafter Teil der Geschichte einer 270jährigen Historie der Exzellenz zu sein, betrachte ich als Ehre. Abgesehen von Tiger Woods sind Sie mutmaßlich der Leistungssportler mit den besten Sponsor-Verträgen der Welt. Sie haben mit Moët & Chandon nun zehn, gib es ein Limit? Absolut. Lustig, dass Sie mich das fragen. Noch vor rund acht Jahren wurde ich allenthalben misstrauisch befragt „Wieso hast Du keine Sponsoren?“. Ich hatte Riesenglück und weiß, dass es ein Segen ist, Partner zu haben, die richtigen Marken überdies, die an einen glauben. Das ist ein Privileg. Und eine Ehre. Auch hier sprechen wir nicht über die Jagd nach Geld, sondern über gemeinsame Werte. Für Ihre Fans gelten Sie als Jahrhundert-Athlet, als einer mit Sieger-Gen – sie zählen die Niederlagen nicht. Welche Ansprüche haben Sie an sich selbst in Sachen Erfolg? Schlüssel und lebensnotwendig ist für mich, immer ein Ziel zu haben, sich selbst Kurzzeit- und Langzeitziele zu setzen; wenn man diese Parameter für sich nicht definiert, wird man keinen Erfolg haben. Talent alleine genügt nicht. Du mußt lernen, ein komplexes Leben zu führen, mit vielen Reisen. Der Erfolg liegt auch darin, extrem gut organisiert zu sein. Und fokussiert zu bleiben, tagein, tagaus. Das Schöne an meinem Beruf als Sportler ist, das ich sofort ein feedback auf meine Arbeit bekomme. Die Zuschauer bewerten in jeder Sekunde live mein Spiel und beurteilen knallhart, ob sie Dich gut oder schlecht finden. In dem Moment, wo ich den Platz verlasse, weiß ich, ob ich elegant gespielt habe – was man mir ja immer nachsagt -, ob ich Respekt gezeigt habe oder schlecht war. Das hilft mir sehr gut, auf dem Boden zu bleiben. Veröffentlicht in ICON, Springer-Verlag