Weltpremiere: Magie am Handgelenk

01. Februar 2010
Montblanc-Inkubator Institut Minerva: Die Schöpfer der Metamorphosis - Design-Ingenieure Franck Orny (links) und Johnny Girardin (rechts), sowie Uhrengenie Demetrio Cabiddu (Mitte). Uhrensammler sind eine seltsame Spezies. Vergleichbar der wenigen Damen, die sich Haute Couture (ein Kleid ab ca. 20 0000 Euro) auf den Leib schneidern lassen. Sie treffen sich alljährlich bei der SIHH ( Salon International de la Haute Horlogerie) in Genf, einer privaten Versanstaltung (Schirmherr: Richmont), bei der ein privilegiertes internationals Klientel über die Zukunft des Luxus und vor allem der speziellen Uhrenneuheiten (ja, auch Juwelen, z. B. von Cartier) fachsimpelt. Eine esoterische, sehr einflussreiche globale Gesellschaft. Und ein Milliardengeschäft, das auch Taktgeber ist für die Wirtschaft. Jenseits der Leidenschaften der Sammler, die die fantastischsten Kreationen der großen Uhrmacherkunst besitzen möchten. Am Puls der Zeit: Die Hamburger Manufaktur Montblanc (gehört zum aktiennotierten Richemont-Konzern), deren weltweite Reputation auf Schreibgeräten fußt, die aber u.a. durch einen Inkubator -also das Ermöglichen bahnbrechender Innovationen durch neue, außergewöhnlicher Talente - von sich Reden macht ( Institut Minerva - wir reden hier von mikromechanischen Zauberkünstlern!). Was das Herz vieler Sammler bei der diesjährigen SIHH zum Ticken brachte: Eine Herrenarmbanduhr namens Metamorphosis, die, gleich einem sich öffnenden Theatervorhang- eine zweite Uhr darunter zum Vorschein bringt. Franck Orny, einer der Erfinder dieses kunsthandwerklichen Wahnsinns, erklärt, wie man eine Illusion zum Leben erweckt. Für Laien: Was genau ist diese Metamorphosis, über die auf der SIHH so viel gesprochen wird? Stellen Sie sich ein völlig neues Uhrenkonzept vor. Eine Armbanduhr mit zwei Gesichtern. Der Besitzer kann wählen, wann er welches angezeigt haben möchte. Am Beispiel Auto erklärt: Sie haben einen rassigen Sportwagen, drücken auf einen Knopf und, schwups, haben Sie einen SUV. Darauf basiert die Idee von Metamorphosis. Ist das eine typische technikverliebte Jungs-Idee? Naja, die Initialzündung dafür gebührt eigentlich unseren Kindern: Im Dezember 2008 waren mein Partner Johnny Girardin und ich mit den Familien Skilaufen. Unsere Kinder waren gerade in ihrer "Transformer"-Phase - Videospiele und Spielzeug. Da kam Johnny und mir die Idee, nicht nur Spielfiguren, sondern auch eine Uhr zu transformieren. Sie verwandelt ihre Gestalt, ihr Gesicht. Sie erwähnen 2008. Wie man munkelt, habe die Zahl 28 bei der Uhr tatsächlich eine Bedeutung. Marketing? Verschwörungstheorie der besessenen Sammler wie bei dem Film "32"? Das ist wirklich nur ein amüsanter Zufall: Die Idee entstand tatsächlich am 28. und um 20.28 Uhr im Jahre 2008. Aber eine schöne Geschichte. So wie Ihre Uhr eine Geschichte erzählt: Das Zifferblatt erinnert an eine Art Theatervorhang. Man drückt auf einen Knopf an der linken Seite der Uhr, wie auf einen Joystick, und schon erheben sich zwei flügelartige Teile auf der Anzeige und ein völlig neues Bühnenbild kommt zum Vorschein. Verstehen Sie sich als eine Art Magier der Uhrenzunft? Nein, da muß ich Sie enttäuschen. Wie die Uhr funktioniert, hat ausschließlich technische Hintergründe. Hm, aber bei näherem Nachdenken? Irgendwie ist das schon richtig, was Sie sagen. Das ist wie bei einem Schmetterling, der ja auch bezaubert, durch seine Metamorphose. Metamorphosis ist der Name der Uhr - von der Verpuppung zur Entfaltung der Schönheit. Steckt diese Idee dahinter? Hat Sie auch das spielerische Element bei der Entwicklung einer solchen Uhr gereizt? Hm. Am Anfang stand einfach die Idee, etwas wirklich Neues, Aufregendes und nie Dagewenes in das Konzept der Uhrmacherei zu bringen - eine komplette Transformation; bei den Zeigern, dem mechanischen Werk, der Funktionsweisen. Das Prinzip ist patentiert: Zwei Funktionen einer Uhr operieren im selben Gehäuse - ein Durchbruch. Wie funktioniert das? Zunächst sehen Sie das Gesicht einer traditionellen mechanischen Uhr - Sundenangaben, Minuten, Sekunden, den Datumsanzeiger, in speziellen Displays. Das zweite Gesicht zeigt einen klassischen Chronographen, der anstelle der Datumsanzeige erscheint. Stellen Sie sich das dreidimensional vor: wie bei einer Theaterhebebühne wird die Chronographenfunktion nach oben ins Display gehoben und der Rest verschwindet darunter. Eine uhrmacherische Herausforderung! Eine wahre Transformation! Klingt aber schon ein wenig nach James-Bond- oder SciFi- Phantasie, für die sich Männer begeistern... Das hoffe ich! Ich wünschte, der Macher von Transformer würde eine kaufen! Was bedeutet es nun wirklich, zwei Masken mit zwei unabhängigen Funktionen in einer so kleinen Armbanduhr unterzubringen? OK, wir reden hier von einer wirklich großen Komplikation! Der Transformer besteht aus 315 mikrofeinen Komponenten, der Chronograph aus 252, macht also 567 Komponenten. Während der Transformation bewegen sich 80., das Stundenwerk beherbergt alleine 66. In der Haute Couture vergehen Monate vom Entwurf bis zum handgefertigten Kunstwerk. Wie sieht das in der Haute Horlogerie aus? Normalerweise braucht man drei bis vier Jahre, um den Prototyp einer solchen Uhr herstellen zu können. Wir haben es in elf Monaten geschafft. Aber nur, weil wir das Genie und das Knowhow vom Institut Minerva bei der Herstellung an unserer Seite hatten. Es gibt zwei Arten von Uhrensammlern, so sagt man: Diejenigen, die ein absolut einmaliges Stück mit den phantastischsten Komplikationen tragen, und solche, die die Seele des Uhrmachers besitzen wollen. Wer ist Ihr Lieblingskunde? Spontan? Wir wollen den mit der Seele! Andererseits: Der andere bekommt ein Stück, das für immer nur 28 mal weltweit verkauft wird. Und das es in der Art nie mehr geben wird. Voilà, so bekommen beide, was sie begehren. Et la magie commence: http://www.youtube.com/watch?v=K6ami-a_ahw Buy one, get one free: Die Uhr ist ab Dezember für ca. 200 ooo Euro bei Montblanc erhältlich. Bei der SIHH wurden bereits vier Timepieces aus der Schweiz und ca. zehn weltweit geordert. Am ersten Tag der Vorstellung.