Schöner Schrein

06. März 2010
Ein Döttling - das ist so etwas wie ein Rolls Royce in der Welt der Hochsicherheits-Safes; Finest German Handcraft since 1919, wie es im internationalen Firmenlogo heißt. Markus Döttling, Chef in vierter Generation (das Unternehmen wurde vor zehn Jahren in eine GmbH umfirmiert) führt auf Weltklasseniveau fort, was sein Urgroßvater mit Schlosserei, Schmiede und Metallbau begann. Außer Döttling gibt es weltweit mutmaßlich nur zwei weitere Firmen (Deutschland, New York), die kraft meisterlicher Handwerkskunst, elektronischem High-Tech-Raffinement und Wertarbeit derartige Objekte herstellen können. Einen Ritterschlag aus der Welt des Designs erhielt das Sindelfinger Unternehmen jüngst, als Karl Lagerfeld Gefallen daran fand, einen mit technisch hochraffiniertem Innenleben ausgestatteten Panzerschrank zu entwerfen. Sein "Narcissus" mit blankverspiegelter Außenhülle (chromplatiniertes Aluminium, hochglanzpoliert) gefiel ihm so gut, dass er gleich den Prototyp behalten wollte. Markus Döttling über den Lagerfeld-Schrein und die kuriosen Marotten mancher Safe-Käufer: Karl Lagerfeld hat schon vieles entworfen - von der ipod-Hülle bis zu gesamten Häusern. Wie kam er auf den Safe? Das ist eigentlich meinem Geschäftspartner Andreas Schlittenhardt geschuldet, der in Kontakt war mit Herrn Lagerfelds Marketingchefin - wir erhielten gleich am nächsten Tag per e-mail eine positive Antwort. Und nach der nächsten e-mail fanden wir uns bereits bei der Anwältin von Karl in Paris wieder. Klingt nach deutscher effektiver Präzisionsarbeit... Durchaus, obwohl wir etwas eingeschüchtert waren; wir sind ein relativ kleiner Handwerksbetrieb und verfügen nicht über Mittel und Recourcen wie große Imperien. Wir murmelten bescheiden etwas von Umsatzbeteiligung... und es hat geklappt, weil Karl einfach das Projekt spannend fand. Hat Sie die Zusammenarbeit mit Karl beeindruckt? Sehr. Mich hat überrascht, dass er sehr schnell den Kontakt auf Augenhöhe hergestellt hat und keineswegs arrogant war, wie das Vorurteil lautet. Eine äußerst angenehme, sehr konstruktive Kooperation. Allerdings: Er gibt auch nicht nach, wenn er etwas unbedingt möchte. Ein Beispiel? Technische Unmöglichkeiten gibt es bei ihm nicht - die Verspiegelung des Safes, wie er sie sich vorstellte, war äußerst schwierig umzusetzen. Aber er war am Ende so beglückt, dass er seinen Entwurf "Narcissus" nannte. Sie wissen ja, dass die Geschichte mit Narziss traurig endete... Durchaus. Aber Karl bezeichnet sich selbst herrlich selbstironisch als den größten Narzisten der Welt. Wo wird sein Safe stehen? In seinem Privathaus in Paris. Er wollte gleich den Prototyp behalten, was natürlich nicht geht. Von der Idee bis zur Fertigung haben wir 18 Monate daran gearbeitet und uns regelmäßig alle drei Monate getroffen - jetzt muss er noch bis zum Sommer warten, bis er den ersten aus der Edition von 30 bekommt. Ihre Safes sind ja - abgesehen vom Lagerfeld-Schrein- auch per se object d'arts.. Kann man so sagen. Der Lagerfeld-Safe wird in einer Auflage von 30 Stück hergestellt und kostet 250000 Euro. Unter Kennern berühmt sind Sie aber auch für Ihre Safe-Linie "Legends", original antike Safes, die Sie zu modernen Hochsicherheits-Stücken aufrüsten und individualisieren. Unsere Kunden stehen auf sehr abgefahrere Interiors: Humidore, Weinschränke, Waffenschränke- besonders in Amerika-, Cocktailbars... Oh, Sie zerstören gerade eine Illusion. Wir dachten, Ihre Kunden ordern nun mehr Safes, weil sie vielleicht das Vertrauen in die Banken verloren haben. Das kann ich nicht feststellen. Es ist eher so, dass unsere Kunden ihre Safes nicht als klassische Safes benutzen. Wie bitte? Natürlich dienen die Panzerschränke auch dazu, ihre Sammlungen zu schützen. Aber zugleich auch dazu, diese - seien es Uhren, Juwelen oder Kunst - bestmöglich zu präsentieren. Wenn Gäste kommen, wird der Safe demonstrativ offen gelassen. Klingt gefährlich. Keineswegs. Die Estates der Kunden sind wie Hochsicherheitstrakte gesichert, Häuser wie Festungen. Für sie ist so ein handgeschmiedeter Safe ein geiles Ding, ein Hingucker, ein Schmuckstück. Wir haben einen Kunden in Mexiko, der nimmt das ganz lässig. Falls es einer jemals unversehrt bis zum Safe schafft, so meint er, hätte er es auch verdient, den Inhalt zu bekommen. Woher kommen ihre Kunden? Die meisten sind aus Nordamerika, Kanada und Asien. Im Mittleren Osten gibt es Interessenten, aber dort suchen wir noch die richtigen Partner. Besonders in Amerika spielen Innenarchitekten eine große Rolle, hundertprozentige Gurus für eine wohlhabende Klientel; sie bestimmen auch oft, welcher Safe zum Interior paßt. Und wenn ihnen der style nicht gefällt, gibt es auch keinen Auftrag. Darf man fragen, was so ein nicht knackbarer Safe kostet? Die neuen aus der Serie "Bel-Air" beginnen bei 80 000 Euro; ein "Legend" bei ca. 150 000 Euro. Gerade hat der reichste Mann Kanadas ein wunderschönes Exemplar im Wert von einer knappen halben Million Euro gekauft. Wissen Sie, was der Kunde in seinen Safe legen möchte? Nein. Aber manchmal werden Spezialarbeiten in Auftrag gegeben. Eine Amerikanerin wollte zum Beispiel einen pinkfarbenen Panzerschrank in Krokodilleder für ihre Schuhsammlung (siehe Foto). Gibt es diese Exzentrität nur bei Frauen? Männer bestellen die Safes oft für ihre Uhrensammlungen. Im Interior sind dann auch spezielle Uhrenbeweger eingebaut. Wir konstruieren gerade einen Safe für Jaeger LeCoultre. Die zum Richemont-Konzern gehörende Marke stellt die zugleicht teuerste und komplizierteste Uhr her - 26 Komplikationen. Das Projekt Hybris Mechanica beinhaltet drei Uhren mit insgesamt 55 Komplikationen, die Trilogie wird zusammen mit dem maßgeschneiderten Safe für 2,5 Millionen Euro veräußert. Eine Frage an den Markus Döttling, den Vielreisenden: Wie sicher sind die safes in Hotelzimmern? Vergessen Sie's! Das sind bessere Konservenbüchsen! Dort würde ich nichts deponieren Fotos ( credit: Karl Lagerfeld, Döttling): Markus Döttling, Karl Lagerfeld vor "narcissus".

Der Haarflüsterer

17. Februar 2010
Philip B. ist er Mann, der Celebrities den Kopf wäscht. Seine Kundenliste liest sich wie ein Who is Who bei den Academy Awards. Nicole Kidman ist darunter, ebenso wie Mick Jagger. So unterschiedliche Kreative wie Steven Spielberg und Usher vertrauen auf ihn. Auch Dutzende anderer Stars sind mit bad hair days geschlagen: darunter Will Smith, Angelica Houston, Britney Spears, Kunstsammler Charles Saatchi, Goldie Hwan, Gwyneth Paltrow, Katie Holmes, Penelope Cruz, Shakira und die über jede frisurenmäßige Diva-Allure erhabenen Herren Sir Richard Branson und Francis Ford Coppola. Denn manchmal ist nichts weniger von Nöten als eine Wurzelbehandlung. Ein Interview mit dem Haarspezialisten aus Hollywood. Man nennt Sie den Haarflüsterer. Wie kamen Sie zu dem Namen? Ich hatte immer wieder außergewöhnlich kuriose Fälle von kaputten Haaren oder strapazierter Kopfhaut. Haar, das förmlich in den Händen zerbrach,  grün verfärbt war, eigentlich unrettbar verloren und zum Radikalschnitt verdammt. Meine Fähigkeit besteht darin, dass ich in der Tat das Leben der Haare fühlen, über das Haar kommunizieren kann. Und so wurde so oft zur Hilfe gerufen. Anscheinend haben meine Therapien immer geholfen. Berichten Sie uns von einem besonders schweren Fall - und wie haben Sie diese behoben? Sharon Stone sind einmal inmitten von Dreharbeiten die Haare abgebrochen. Sie waren so stark chemisch behandelt, dass kaum noch etwas zu machen war. Wir haben dann mit einer Öltherapie begonnen und das Haar langsam wieder aufgebaut. Friseure sind ähnlich wie Barmänner auch oft Seelentröster und News-Börse. Wie viel Psychologie brauchen Sie für Ihren Job? Oh, ein großer Teil ist Psychologie! Haare sind schließlich eine sehr intime Angelegenheit; sie gehören zur Identität des Trägers. Im Umgang mit den Kunden muss ich IQ und den EQ, den Emotionalen Quotienten ausbalancieren. Je nachdem, wie schwer das ist, brauche ich in meinem Job auf alle Fälle eine gute Portion Einfühlungsvermögen. Männer dürften vor allem über Haarausfall klagen? Gibt es auch dagegen ein Zaubermittel? Männer haben oft das Problem, dass sie sich zu wenig mit sich selbst, ihrem Körper und dessen Pflege auseinander setzen. Viele Männer benutzen gerade mal eine Art Kernseife und das war's. Meine Diagnose: Oft ist bei Männern die Kopfhaut einfach zu fettig. Dadurch wird der Haarwuchs gehemmt. Sie sollten regelmäßig eine Kopfmassage machen und ein Shampoo verwenden, das von überschüssigem Talg befreit. Mein Peppermint & Avocado Shampoo ist ideal dafür. Sie verwenden wundersame Ingredienzien in Ihren Luxusprodukten wie weiße Trüffel, Amber-Öl oder Chai-Tee. Wie kommt man auf solche Ideen? Ich liebe es zu essen! Und vor allem gut - es ist so sinnlich! Duft und Geschmack gehören zusammen. Wenn Sie sich mal überlegen: 80 Prozent des Geschmacks kommt alleine durch den Geruch - das ist etwas Hoch-Romantisches für mich. Da ich auf meinen häufigen Reisen ständig neue Zutaten ausprobiere, entdecke ich auch Inhaltsstoffe, die sich auf die Verschönerung von Haaren auswirken. Sind Sie so etwas wie ein Alchemist? Wo finden Sie ihre Zutaten? Alchemist, ja so könnte man sagen! Ich stöbere überall auf der Welt. Die Magie weißer Trüffel habe in Italien entdeckt, ein unglaublich sinnliches Erlebnis. Sie müssen sich die Entdeckung eines neuen Inhaltsstoffes als eine Art energetischen Vorgang vorstellen. Das löst in mir einen Flow-Zustand aus ( Anm. d.Red.: Gefühl des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit; in einem Bestseller beschrieben von dem Wissenschaftler Mihály Csíkszentmihályi). Am liebsten würde ich sofort wieder aufbrechen und diese Energie spüren! Sie waren schon mit 14 Jahren HairStylist und ich nehme an, kaum einer weiß mehr über Haare. Wie kann man von Ihrem Wissen partizipieren? Mund-zu-Mund-Propaganda ist wahrscheinlich der einfachste Weg. Ich habe ein sehr großes Netzwerk, Mitarbeiter und Freunde, die meine Botschaft in die Welt tragen. Wir haben einige Videos gedreht, die z.B. bei youtube laufen. Auf meiner website kann mir jeder Fragen schreiben, die ich auch selbst beantworte. Wurzelbehandlung: Die essentiellen Wundermittel des Haarflüsterers (Fotos von links oben: White-Truffle-Shampoo für fülligeres Haar, das legendäre Russian Amber Imperal Shampoo, Rejuvenating Oil für problematische Kopfhaut und die Haarmaske, die u.a. Sharon Stone gerettet hat, Katira Hair Masque. Philip B. stammt aus Massachusetts, begann seine Karriere mit 14 Jahren in Boston und baute in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts sein Hair Spa in Los Angeles auf. Im Februar 2001 eröffnet er das erste dermatologische Kopfhaut- und Haar-Behandlungs-Zentrum weltweit. Er arbeitet dort zusammen mit Dr. Ava Shamban, Harvard-Absolventin und Assistenz-Professorin für Dermatologie an der Universität von Kalifornien. Los Angeles. Seine Produkte sind auch in Deutschland erhältlich (neu ab März: Bürsten, die das Haar pflegen).

Fashion-photographie rocks!

08. Februar 2010
Der berühmte Modefotograf F.C. Gundlach über die Seele von Fotos und lebenslange Bindungen in Zeiten des Internets. Ihr englischer Kollege, Nick Knight, hat kürzlich in einem Interview mit welt online das Ende der Modefotografie prophezeit – Im Zeitalter des Internet werde sie überflüssig. Sehen Sie das ebenso? Nein, das sehe ich überhaupt nicht. Das Internet ist einfach ein neuer Datenträger, eine andere Ebene des Gebrauchs. Da geht es nicht um sinnliche Inhalte. Ein Foto? Nach wie vor ist das Blatt Papier das Werk. Ein Foto hat Seele! Im Internet geht doch die Hauptsache, das Haptische verloren. Die Betrachter wollen blättern, vor und zurück, die Zeitschrift auch mal liegen lassen. Das ist eine ganz andere Realität. Und ein Foto ist nichts anderes als ein Abdruck von Realität. Sie haben mit Ihrer Fotografie seit den 60ern unsere Sichtweise von Mode entscheidend mitgeprägt. Was hat sich seit Ihren Anfängen geändert? Früher hatte es die Modefotografie schwer. Da hat man noch nicht begriffen, dass Mode gesellschaftliche Veränderungen interpretiert und eine kulturelle Funktion hat. In meiner Ausstellung im Gropius-Bau in Berlin kann man das anhand 40 Jahren Modegeschichte sehr gut nachvollziehen. Im 20. Jahrhundert hatte Mode einen anderen gesellschaftlichen Stellenwert; sie war eng mit der Emanzipation der Frauen verknüpft. Heute ist Mode vor allem Entertainment. Schmälert das ihre Bedeutung? Auf keinen Fall, das ist doch das Entscheidende: Wir partizipieren alle an Mode, ob wir wollen oder nicht. Mir ist zum Beispiel aufgefallen, dass man heute keine Krawatten mehr trägt; anscheinend interpretiert man das als ein Zeichen von Jugendlichkeit. Nur: Wenn das mittlerweile schon in den Vorstandsetagen angekommen ist, zeigt das: dieser Trend ist tot. Immerhin hat die seriöse Zeit, die über den Verdacht erhaben ist, ein Modetrendblatt zu sein, Ihr Statement aufgegriffen. Herrlich, die haben gleich eine Doppelseite mit Krawattenfotos gebracht; die sehr hübsche Überschrift lautete: Eine lebenslange Bindung. Sie scheinen Bindungen nicht abgeneigt. Sie haben auch eine berühmte Fotosammlung... Das Sammeln von Bildern ist so ähnlich wie ein Hauskauf: Der erste Moment ist der Wichtigste. Ein Bild, das sie emotional berührt hat, mit dem können Sie immer leben! Vor einigen Jahren noch gab es Modediktate, heute heißt es: anything goes. Bedauern Sie die Entwicklung? Nein, nein. Nach wie vor gilt mein Credo: Mode ist ein substantieller Bestandteil unseres Lebens. Als Nina Ricci in Paris die erste Prêt-à-Porter-Kollektione zeigte, orkaelte man schon über den Tod der Haute Couture. Drei Jahre später hatten alle Kollektionen von der Stange. Mit Mode senden Sie Signale. Die Gesellschaften verändern sich und damit auch die Codes in der Mode – man muss sie nur verstehen! Salon privé: Kunsthändlerin Anke Degenhard (Foto Mitte) kuratierte für Privatsammler in ihren Hamburger Räumen eine exquisite Ausstellung aus dem umfangreichen Werk F.C. Gundlachs. Zu Ehren des großen Fotografen trafen sich internationale Fans zum Dinner. Mit dabei u.a.: die indische Luxushändlerin und socialite Sheetal Mafatlal (links) und Musiker Marius Müller-Westernhagen (rechts neben der Gastgeberin).

Bombay Sapphire - warum Asien glänzt

04. Februar 2010
Er gilt als Gentleman-CEO unter den Luxusmanagern: Meist diskret im Hintergrund, ausgestattet mit einer guten Portion Humor, Sinn für Kunst und Kultur - und mit einem goldenen Händchen für seine Marke Montblanc: Geschäftsführer Lutz Bethge. Der Hamburger Firmenchef über die exotischen Shopping-Gewohnheiten der Inder und darüber, was Deutsche von den Chinesen lernen können. Wer Anfang 2009, am Höhepunkt der Wirtschaftskrise beispielsweise Aktien der Luxuskonzerne LVMH, Hermès oder Richemont gekauft hätte, hätte heute (Stand Ende Januar 2020) sein Investment nahezu verdoppelt. Erholt sich der Luxusmarkt schneller als andere Wirtschaftssparten? Als Geschäftsführer von Montblanc steht es mir nicht an, beispielsweise die Aktie von Richemont zu kommentieren, das tun die zuständigen Finanzexperten an der Konzernspitze... ... Sie wiederum sind ein Experte für Luxusgüter ... ... und so vermag ich auch nur etwas zum Prinzip der allgemeinen Entwicklung zu sagen. Sind die gestiegenen Aktien Indikator für tatsächlich wieder steigenden Konsum? Nun, wir sind froh, dass sich in den letzten Monaten das Konsumklima deutlich verbessert hat. Dass die Aktien aber schon so früh und so gigantisch gestiegen sind, liegt daran, dass im Aktienmarkt immer die künftige Entwicklung voraus genommen wird. Noch bevor in der Weltwirtschaft irgendetwas real passierte, waren auf Basis des Bankencrashs alle negativ eingestellt. Egal, ob die Firmen noch Exportaufträge hatten oder ein Superergebnis brachten, sind die Aktien abgestürzt; folglich haben die Analysten sie nach unten bewertet. Die berühmte Börsenpsychologie? Ja, natürlich. Je nachdem, ob man glaubt, die Zukunft werde besser oder schlechter, wirkt sich dies auf die Kurse aus. Als Anfang bis Mitte 2009 eine Art Bodenbildung stattgefunden hatte und Investoren glaubten, es könne nicht mehr schlimmer kommen, fingen die Ersten wieder vorsichtig in den Markt einzusteigen. In der Erwartung, auf zukünftige Gewinne, stiegen die Aktien – das ist ein Grund für die große Differenz. Stimmt es, dass derzeit die meisten Umsätze im Luxussegment in Asien gemacht werden? Definitiv. Gerade China als Wachstumsmarkt gewinnt an immer größerer Bedeutung. Mittlerweile gibt es eine größer werdende Mittelklasse, die sich etwas leisten kann und möchte – ein Potential das schon vor 2-3 Jahren auf 0.5 Prozent der Bevölkerung geschätzt wurde. Hört sich nicht viel an, sind aber doch über 60 Mllionen Kunden, die Luxusgüter erwerben können, d. h. auch im eigenen Markt wird die Nachfrage angeregt. China gehört zu den so genannten BRIC-Staaten – ein von Goldman Sachs geprägter Begriff für die „Schwellenländer“ Brasilien, Russland, Indien und China, die sich durch überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum auszeichnen. Montblanc engagiert sich sehr in Indien – the next big thing? Die Marke Montblanc ist in Indien die Luxusmarke, die bei weitem das größte Distributionsnetz hat. Insgesamt sind wir dort mit 17 eigenen Boutiquen vertreten. Wir sehen sehr wohl eine große Zukunft. Die Frage ist, ob der Markt so groß wie der chinesische sein wird und wie schnell sich die Chancen verwirklichen. In Indien ticken die Uhren anders. Hierzulande ist vielen nicht bewusst, dass es in Indischen Metropolen keine „Madison Avenue“ oder „Monte Napoleone“ gibt. Die Infrastruktur ist anders ausgelegt als beispielsweise in China. Ja, das ist die Schwierigkeit für das typische Luxusgeschäft; es findet bislang fast ausschließlich in den Hotels statt. Das erlaubt nur kleinere und nicht für alle sichtbare Geschäfte und limitiert dadurch die Anzahl der Kunden. Klingt exotisch. Ein Beipiel: In Mumbai haben Sie Straßen wie in Favelas, daneben steht ein großer Büroturm mit einem Hotel in der Nachbarschaft; daneben schlafen Menschen wieder auf der Straße. Man kann dort keine „Luxusstraße“ etablieren, weil unter Umständen dann nachts die Menschen vor Ihren Geschäften schlafen. Die einzige Möglichkeit sind bislang die Plattformen der Hotels. Werden Alternativen entwickelt? Shopping-Malls. Das Model hat aber bisher in Indien noch nicht so richtig funktioniert. Wieso? Indische Konsumenten möchten es nicht notwendigerweise zeigen, wenn sie Luxusprodukte kaufen. Man geht weder in Hotels noch in den Malls mit großen Tüten ein und aus. Zur Zeit sind eine Unmenge Shopping-Mall-Projekte am Laufen. Die meisten sind allerdings eher mittleres Niveau. Das ist eine zusätzliche Schwierigkeit. Erst wenn sich die erste Luxusshoppingmall erfolgreich etabliert hat und die Käufer ihre Scheu überwunden haben, öffentlich auch Luxusgüter zu erwerben, wird der Markt einfacher. Ist Shop-Scheu die einzige Schwierigkeit? In Indien gibt es nach wie vor drakonische Einfuhrzölle. Entweder erhöht man die Preise weit über das internationale Preisniveau oder man verzichtet auf Marge. Beides ist nicht ideal und erschwert den Ausbau des Marktes. Was können die Luxus-verklemmten Deutschen von den Chinesen lernen? Wir Deutsche haben nicht unbedingt die Leichtigkeit des Seins erfunden. Wir sind dem Thema Luxus gegenüber nicht ganz so aufgeschlossen wie das in südlichen Ländern und in Asien der Fall ist. Wenn es in China jemand nach Jahren des Staatskommunismus endlich geschafft hat, auf eigenen Beinen zu stehen, das erste Geld verdient hat, um sich einen Montblanc-Füller zu kaufen, ist er stolz darauf. Das möchte er seinen Freunden und allen mitteilen in dieser Welt.

Weltpremiere: Magie am Handgelenk

01. Februar 2010
Montblanc-Inkubator Institut Minerva: Die Schöpfer der Metamorphosis - Design-Ingenieure Franck Orny (links) und Johnny Girardin (rechts), sowie Uhrengenie Demetrio Cabiddu (Mitte). Uhrensammler sind eine seltsame Spezies. Vergleichbar der wenigen Damen, die sich Haute Couture (ein Kleid ab ca. 20 0000 Euro) auf den Leib schneidern lassen. Sie treffen sich alljährlich bei der SIHH ( Salon International de la Haute Horlogerie) in Genf, einer privaten Versanstaltung (Schirmherr: Richmont), bei der ein privilegiertes internationals Klientel über die Zukunft des Luxus und vor allem der speziellen Uhrenneuheiten (ja, auch Juwelen, z. B. von Cartier) fachsimpelt. Eine esoterische, sehr einflussreiche globale Gesellschaft. Und ein Milliardengeschäft, das auch Taktgeber ist für die Wirtschaft. Jenseits der Leidenschaften der Sammler, die die fantastischsten Kreationen der großen Uhrmacherkunst besitzen möchten. Am Puls der Zeit: Die Hamburger Manufaktur Montblanc (gehört zum aktiennotierten Richemont-Konzern), deren weltweite Reputation auf Schreibgeräten fußt, die aber u.a. durch einen Inkubator -also das Ermöglichen bahnbrechender Innovationen durch neue, außergewöhnlicher Talente - von sich Reden macht ( Institut Minerva - wir reden hier von mikromechanischen Zauberkünstlern!). Was das Herz vieler Sammler bei der diesjährigen SIHH zum Ticken brachte: Eine Herrenarmbanduhr namens Metamorphosis, die, gleich einem sich öffnenden Theatervorhang- eine zweite Uhr darunter zum Vorschein bringt. Franck Orny, einer der Erfinder dieses kunsthandwerklichen Wahnsinns, erklärt, wie man eine Illusion zum Leben erweckt. Für Laien: Was genau ist diese Metamorphosis, über die auf der SIHH so viel gesprochen wird? Stellen Sie sich ein völlig neues Uhrenkonzept vor. Eine Armbanduhr mit zwei Gesichtern. Der Besitzer kann wählen, wann er welches angezeigt haben möchte. Am Beispiel Auto erklärt: Sie haben einen rassigen Sportwagen, drücken auf einen Knopf und, schwups, haben Sie einen SUV. Darauf basiert die Idee von Metamorphosis. Ist das eine typische technikverliebte Jungs-Idee? Naja, die Initialzündung dafür gebührt eigentlich unseren Kindern: Im Dezember 2008 waren mein Partner Johnny Girardin und ich mit den Familien Skilaufen. Unsere Kinder waren gerade in ihrer "Transformer"-Phase - Videospiele und Spielzeug. Da kam Johnny und mir die Idee, nicht nur Spielfiguren, sondern auch eine Uhr zu transformieren. Sie verwandelt ihre Gestalt, ihr Gesicht. Sie erwähnen 2008. Wie man munkelt, habe die Zahl 28 bei der Uhr tatsächlich eine Bedeutung. Marketing? Verschwörungstheorie der besessenen Sammler wie bei dem Film "32"? Das ist wirklich nur ein amüsanter Zufall: Die Idee entstand tatsächlich am 28. und um 20.28 Uhr im Jahre 2008. Aber eine schöne Geschichte. So wie Ihre Uhr eine Geschichte erzählt: Das Zifferblatt erinnert an eine Art Theatervorhang. Man drückt auf einen Knopf an der linken Seite der Uhr, wie auf einen Joystick, und schon erheben sich zwei flügelartige Teile auf der Anzeige und ein völlig neues Bühnenbild kommt zum Vorschein. Verstehen Sie sich als eine Art Magier der Uhrenzunft? Nein, da muß ich Sie enttäuschen. Wie die Uhr funktioniert, hat ausschließlich technische Hintergründe. Hm, aber bei näherem Nachdenken? Irgendwie ist das schon richtig, was Sie sagen. Das ist wie bei einem Schmetterling, der ja auch bezaubert, durch seine Metamorphose. Metamorphosis ist der Name der Uhr - von der Verpuppung zur Entfaltung der Schönheit. Steckt diese Idee dahinter? Hat Sie auch das spielerische Element bei der Entwicklung einer solchen Uhr gereizt? Hm. Am Anfang stand einfach die Idee, etwas wirklich Neues, Aufregendes und nie Dagewenes in das Konzept der Uhrmacherei zu bringen - eine komplette Transformation; bei den Zeigern, dem mechanischen Werk, der Funktionsweisen. Das Prinzip ist patentiert: Zwei Funktionen einer Uhr operieren im selben Gehäuse - ein Durchbruch. Wie funktioniert das? Zunächst sehen Sie das Gesicht einer traditionellen mechanischen Uhr - Sundenangaben, Minuten, Sekunden, den Datumsanzeiger, in speziellen Displays. Das zweite Gesicht zeigt einen klassischen Chronographen, der anstelle der Datumsanzeige erscheint. Stellen Sie sich das dreidimensional vor: wie bei einer Theaterhebebühne wird die Chronographenfunktion nach oben ins Display gehoben und der Rest verschwindet darunter. Eine uhrmacherische Herausforderung! Eine wahre Transformation! Klingt aber schon ein wenig nach James-Bond- oder SciFi- Phantasie, für die sich Männer begeistern... Das hoffe ich! Ich wünschte, der Macher von Transformer würde eine kaufen! Was bedeutet es nun wirklich, zwei Masken mit zwei unabhängigen Funktionen in einer so kleinen Armbanduhr unterzubringen? OK, wir reden hier von einer wirklich großen Komplikation! Der Transformer besteht aus 315 mikrofeinen Komponenten, der Chronograph aus 252, macht also 567 Komponenten. Während der Transformation bewegen sich 80., das Stundenwerk beherbergt alleine 66. In der Haute Couture vergehen Monate vom Entwurf bis zum handgefertigten Kunstwerk. Wie sieht das in der Haute Horlogerie aus? Normalerweise braucht man drei bis vier Jahre, um den Prototyp einer solchen Uhr herstellen zu können. Wir haben es in elf Monaten geschafft. Aber nur, weil wir das Genie und das Knowhow vom Institut Minerva bei der Herstellung an unserer Seite hatten. Es gibt zwei Arten von Uhrensammlern, so sagt man: Diejenigen, die ein absolut einmaliges Stück mit den phantastischsten Komplikationen tragen, und solche, die die Seele des Uhrmachers besitzen wollen. Wer ist Ihr Lieblingskunde? Spontan? Wir wollen den mit der Seele! Andererseits: Der andere bekommt ein Stück, das für immer nur 28 mal weltweit verkauft wird. Und das es in der Art nie mehr geben wird. Voilà, so bekommen beide, was sie begehren. Et la magie commence: http://www.youtube.com/watch?v=K6ami-a_ahw Buy one, get one free: Die Uhr ist ab Dezember für ca. 200 ooo Euro bei Montblanc erhältlich. Bei der SIHH wurden bereits vier Timepieces aus der Schweiz und ca. zehn weltweit geordert. Am ersten Tag der Vorstellung.